Andreas Wagner

Andreas Wagner, Graduiertenkolleg ILS, Seminar für Sprachwissenschaft, Universität Tübingen, Wilhelmstrasse 113, 72074 Tübingen, Tel.: 07071 - 297 4279 e-mail: wagner@sfs.nphil.uni-tuebingen.de(wagner@sfs.nphil.uni-tuebingen.de) ,

Betreuer: Prof. Erhard Hinrichs, Dr. Steven Abney

Mein Dissertationsprojekt befaßt sich mit Selektionsbeschränkungen, insbesondere mit der Erfassung von Abweichungen von Selektionsbeschränkungen mit statistischen Methoden.
Selektionsbeschränkungen sind semantische Verträglichkeitsbeschränkungen zwischen einer lexikalischen Einheit und von dieser Einheit abhängigen Konstituenten in einem Satz. So selegiert beispielsweise das Verb 'gähnen' ein menschliches oder tierisches Subjekt. Diese Restriktion wird in dem Satz 'Der Stein gähnt' verletzt.
Selektionsbeschränkungen werden in einem hohen Maß durch die Bedeutung der selegierenden Lexeme sowie durch Weltwissen determiniert. Es scheint in diesem Bereich jedoch auch rein sprachliche Konventionen zu geben, die sich nicht durch diese beiden Faktoren allein erklären lassen. Z. B. selegiert 'tranchieren' ein Objekt, das Fleisch denotiert; das Schneiden von Fisch, Gemüse oder Holz wird nicht als 'tranchieren' bezeichnet, obwohl der Vorgang der gleiche ist wie bei Fleisch. Im Rahmen meines Projekts wird untersucht werden, wo Selektionsbeschränkungen in bezug auf Weltwissen vs. sprachliche Konvention einzuordnen ist.
Abweichungen von Selektionsbeschränkungen führen unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu semantisch anomalen Sätzen, z. B. in negierten generischen Aussagen ('Steine gähnen nicht'), im Zusammenhang mit systematischer Polysemie ('ein Buch anfangen'), in Abhängigkeit vom Kontext (fiktionale Kontexte, Fachsprachen usw.) oder in metaphorischen Ausdrücken ('Das Auto säuft Benzin.'). U. a. aus diesem Grund ist es sinnvoll, den Terminus 'selektionale Präferenzen' an Stelle des traditionellen Begriffs 'Selektionsrestriktionen' zu verwenden.
Selektionspräferenzen sind in einem hohen Maß idiosynkratisch und lassen sich nicht mit Hilfe einer überschaubaren Mange von semantischen Merkmalen repräsentieren (vgl. McCawley 1968). Die Codierung selektionaler Präferenzen auf breiter Basis "von Hand" ist daher sehr aufwendig, wenn überhaupt durchführbar. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren einige Ansätze entwickelt und getestet, Selektionspräferenzen durch statistische Korpusanalyse zu ermitteln (z. B. Resnik 1993). Statistische Korpusanalyse hat den Vorteil, Regularitäten für große Mengen linguistischer Einheiten (halb)automatisch ermitteln zu können. Der Nachteil ist, daß derartige Analysen nicht so sehr "in die Tiefe" gehen und subtile linguistische Gesetzmäßigkeiten evtl. nicht exakt (bzw. überhaupt nicht) erfassen.
Dies gilt auch für Abweichungen von Selektionsbeschränkungen. Die Bedingungen, unter denen solche Abweichungen sanktioniert werden, sind teilweise zu komplex, als daß sie mit statistischen Methoden adäquat erfaßt werden können (z. B. die konzeptuellen Metaphern, deren Instanzen die sprachlichen metaphorischen Ausdrücke sind, s. Lakoff und Johnson 1980). Jedoch ist auch hier die Frage interessant, inwieweit sich Indikatoren für die Sanktionierung von Abweichungen von Selektionsbeschränkungen statistisch ermitteln lassen. Mit diesem Problem beschäftige ich mich im "praktischen" Teil meiner Arbeit. Den Schwerpunkt bildet hierbei die Behandlung von Metaphern, d. h. die Frage, ob und wie metaphorische Ausdrücke mit Hilfe von broad coverage online resources wie WordNet (s. Miller et al. 1990) und statistisch ermittelten selektionalen Präferenzen erkannt werden können.